Die Grube Christiane am Martenberg in Adorf - Eisenerzbergbau am Nordostrand des Sauerlandes

Überblick

Im Nordosten des Sauerlandes bildet das Gebiet zwischen Brilon, Marsberg und Adorf eine historische Bergbauregion, deren Wurzeln vermutlich bis in die Vorzeit, urkundlich belegbar aber mindestens bis ins Mittelalter zurückreichen. Naturräumlich liegt die Region im Übergangsbereich zwischen dem Bergisch-Sauerländischen Gebirge und dem Westhessischen Berg- und Senkenland. Administrativ ist es heute das Grenzgebiet zwischen Nordrhein-Westfalen (Landkreis Hochsauerland) und Hessen (Landkreis Waldeck-Frankenberg). Historisch war es das Grenzgebiet zwischen dem Einflussbereiches des Klosters Bredelar im Norden und der Grafschaft Waldeck im Süden. Der Abbaubereich Martenberg selbst gehört zur Ortslage Adorf der hessischen Gemeinde Diemelsee.

 

Die naturräumliche Ausstattung mit Bodenschätzen umfasste insbesondere Vorkommen von Eisen- und Kupfererzen, die in Verbindung mit dem vorhandenen Wald- und Gewässerreichtums das Entstehen von Standorten der Erzgewinnung, Metallerzeugung und -verarbeitung begünstigten. Im Laufe der Jahrhunderte bestanden rund um Adorf wohl weit über 200 Eisenerzgruben, oft nur kleine von Eigenlöhnern oder kleinen Gewerkschaften betriebene Gruben. Die Blütezeit des Abbaus setzte mit der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert ein. Dabei wurde die Grube Martenberg nach eine zwischenzeitlichen Stilllegung 1917 unter der Bezeichnung Grube Christiane ab 1936 wieder aufgefahren und bis 1963 betrieben. Sie ist seit 1986 in Teilen als Besuchervergwerk zugänglich.

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Übersichtskarte der wichtigsten Eisenerzgruben in der Umgebung von Adorf (Karte: © OpenStreetMap-Mitwirkende, CC BY-SA 2.0, https://www.openstreetmap.org/copyright)

Übersichtskarte der wichtigsten Eisenerzgruben in der Umgebung von Adorf:

(1) Martenberg

(2) Tagesanlagen Grube Christiane

(3) Winsenberg

(4) Semmet

(5) Tingerloh

(6) Huxhohl/Hubertus

(7) Ferdinand

(8) Eckefeld

(9) Webel

(10) Wartersberg

(11) Arnstein

(12) Schmalental

(13) Lülingshohl/Reinhard

(14) Beringhof/Charlottenzug

gestrichelte Linie: Bereich des späteren Verbundbergwerkes Grube Christiane (inkl. Bismarckstollen zum Grubenfeld Eckefeld)

durchgezogene Linie: Verlauf der Rheme-Diemeltalbahn

 

Geologie der Lagerstätte

Geologisch prägend für den Eisenerzbergbau waren Erzlager der sogenannten sedimentär-exhalativen Lagerstätten (SEDEX) des Lahn-Dill-Typs. Dabei handelt es sich im Lagerstätten, die durch den Austritt von heißen, mineralhaltigen hydrothermalen Lösungen auf dem Meeresgrund gebildet wurden. Die Eisenerzlager waren Roteisensteine, das vorherrschende Eisenmineral war Hämatit (Fe2O3).

 

Die Entstehungsgeschichte der Lagerstätten reicht bis ins Paläozoikum (Erdaltertum) an die Wende vom Mitteldevon zum Oberdevon zurück. Zu dieser Zeit lag das Gebiet um Adorf am Schelfrand eines Meeresbeckens, an dessen Grund sich ein großes und mächtiges Riff aus Kalkstein (als Briloner Massenkalk bezeichnet) ablagerte. Vor etwa 380 Millionen Jahren bildeten sich aufgrund von submarinen Vulkanismus teils über 200 Meter hohe vulkanische Schwellen aus Diabas (Grünstein), d. h. der erstarrten Lava. An den Flanken und am Fuß der untermeerischen Vulkane stiegen eisenhaltige Lösungen auf, die sich an der Grenze zwischen Diabas (im Liegenden) und Kalkstein (Hangendem) aufgrund hydrothermaler Prozesse als Eisenstein ablagerten. Die Ablagerungen hatten dabei oft linsenförmige Gestalt, spätere Prozesse überlagerten und falteten die Eisenerze oftmals. In Abhängigkeit des untermeerischen Reliefs und je nach Verwachsung mit Quarz oder Karbonatmineralien kam es zur Bildung von eher kieseligen oder kalkigen Roteisenerzen. Dabei treten folgende Erztypen auf:

 

kieseliges Hämatiterz

  • Eisenkieselerz (14-17% Fe)
  • kieseliges Roteisenerz (34-47% Fe)
  • dichtes Roteisenerz (50% Fe)

kalkiges Hämatiterz

  • dichtes, kalkiges Roteisenerz (30-36%Fe)
  • flaseriges, kalkiges Roteisenerz (20-20% Fe)

Darüber hinaus kamen auch Eisenspaterz (34% Fe) und eisenreicher Kalk (13-18% Fe) vor.

 

Charakteristisch war eine Verzahnung der Erzlinsen mit umliegenden Kalkgesteinen, die im Hangenden der Erzlager auch metasomatisch vererzt waren. Dadurch ergab sich eine wechselvolle Zusammensetzung des Eisenerzes bei stark schwankenden Mächtigkeiten, die im Bereich der Grube Christiane im Durchschnitt bei 8-12 Metern lagen, in Nestern aber auch auf über 30 Meter anwachsen konnten.

 

Der durchschnittlicher Eisengehalt des Erzes wurde in der Grube Martenberg 1911 mit ca. 23-24% angegeben und lag in den letzten Betriebsjahren der Grube Christiane (um 1960) bei etwa 30-34%, aus einzelnen Grubenfeldern konnten auch Erze mit einem Gehalt von bis zu 42% gefördert werden. Der Kalkgehalt lag bei bis zu 18%, was die Erze für die Verhüttung besonders eignete.

 

Bergbaugeschichte - von den Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges (1273 - 1648)

Die erste urkundliche Erwähnung des Bergbaus in der Region um Adorf datierte vom 5. Januar 1273. In Ihr sicherten sich die Herren von Esbeck das Abbaurecht an den unterirdischen Metallen ("metalli sub terra") in den Gruben ("spelunce") am Abbaubereich Arnstein ("Arneslyth") etwa vier Kilometer nördlich von Adorf. Unmittelbar benachbart lag der Abbaubereich Schmalental. Weitere wichtige und ergiebige Grubenbereiche lagen am Ostrand des Rhenetales und umfassten neben dem Grubenfeld am Martenberg (dem späteren zentralen Standort der Grube Christiane, etwa 1,5 Kilometer nördlich von Adorf) und dem südlich angrenzenden Abbaugebiet am Winsenberg auch die Grubenbereiche Eckefeld, Ferdinand, Huxhohl (später Hubertus), Lühlingshohl (später Reinhard) und Webel. Zwischen Rhene- und Diemeltal lag zudem das bedeutende Vorkommen Beringhof (später Charlottenzug). Auch östlich von Adorf gab es um die Siedlung Rhenegge mit den Feldern Semmet und Tingerloh Abbaubereiche.

 

Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich weitgehend auf den späteren Bereich des heutigen Besucherbergwerkes der Grube Christiane und damit den Martenberg und den Winsenberg.

 

Über den mittelalterlichen (und auch frühneuzeitlichen) Bergbau in diesen Grubenfeldern liegen nur wenige Informationen vor. Dies ist beim Eisenerzbergbau nicht ungewöhnlich, da der Bergbau auf Eisen nicht dem höheren Bergregal unterstand und somit auch nur begrenzt von der landesherrlichen Bergverwaltung dokumentiert wurde. Im Falle des Adorfer Bergbaus kam erschwerend hinzu, dass 1802 ein Großbrand in Adorf auch das 1652 erstmals erwähnte Gebäude des Waldeckschen Bergamtes mitsamt Akten und Grubenrissen vernichtete.

 

Es ist davon auszugehen, dass der frühe Abbau v. a. im Tagebau bzw. als Schachtbergbau erfolgte. In kleinen Gruben, die oft nur als 1-Mann-Betrieb (Eigenlöhner) bzw. mit wenigen Bergleuten als Kleingewerkschaft betrieben wurden, drangen die Knappen von einem Tagesschacht aus so weit in die Tiefe vor, bis das zugehende Grundwasser den weiteren Abbau verhinderte. Allein am Martenberg sollen über 100 dieser Kleinbetriebe bestanden haben. Der Abbau wurde, das wäre typisch für die Kleinteiligkeit des Grubenbetriebes, vermutlich nicht kontinuierlich durchgeführt. Darauf deutet eine Erwähnung von 1489 hin, nach der aufgelassene Gruben wieder neu gemutet wurden. Auch 1588 ist die Rede von der „Wiederingangbringung“ eines Bergwerks am Winsenberg

 

Erst in der Neuzeit wurden v. a. vom Rhenetal aus Entwässerungsstollen angelegt, die einen tieferen Abbau ermöglichten. Der Stollenabbau löste die Schachtförderung ab und ermöglichte vermutlich auch eine stetigere Förderung. Zu den frühesten und wichtigsten Entwässerungsstollen zählten dabei wohl der ab 1587 angelegte Felix-Martin-Stollen an der Südseite des Martenberges und der im gleichen Jahr aufgefahrene Franziskus-Felix-Stollen am Winsenberg (1621 fertig gestellt, aber schon 1661 als verbrochen bezeichnet).

 

Insgesamt scheint die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts von einer instensiven und ergiebigen Bergbautätigkeit geprägt zu sein, denn in diese Zeit fallen sowohl die urkundlichen Ersterwähnungen der Eisenerzgruben Eckefeld (1558), Winsenberg (1584) und Lülingshohl (später Reinhard) (1586) im Umfeld von Adorf, als auch der Erlass einer ersten Bergordnung durch die Grafen von Waldeck im Jahr 1580. Die Verhüttung der Eisenerze erfolgte weitgehend in den umliegenden Tälern von Rhene, Diemel und Hoppecke, da hier genügend Wasserkraft zum Betrieb der Hämmer und Blasebalge zur Verfügund stand. Allein im Bereich der Grafschaft Waldeck bestanden einstmals 12 Hütten und 50 Hammerwerke zur Eisenerzeugung und -verarbeitung.

 

Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) kam es zu einem deutlichen Rückgang des Bergbaus, gleichwohl kam dieser offenbar nicht völlig zum erliegen. Die Gruben am Winsenberg sollen selbst in Kriegszeiten zwischen 1622 und 1644 im Durchschnitt noch 3.000 Fuder Eisenstein jährlich gefördert haben (1 Fuder entsprach etwa 18-21 Zentnern und damit etwa 1.000 Kilogramm).

 

Bergbaugeschichte - vom Dreißigjährigen Krieg bis zur ersten Einstellung des Bergbaus (1648-1917)

Zur Wiederbelebung des Abbaus nach dem Krieg wurden durch Graf Heinrich Wolrad von Waldeck auch Bergleute aus dem Erzgebirge, dem Harz, aus Thüringen und sogar aus Norwegen angeworben. Das in Adorf ansässige Waldecksche Bergamt begann 1652 mit dem Führen eines ersten Bergprotokoll-Buch zur Dokumentation der Bergbauaktivitäten. Die Bemühungen der Grafen von Waldeck zur Förderung des Bergbaus waren offensichtlich erfolgreich, auch wenn die Erzanbrüche der Gruben wohl starken Schwankungen unterworfen waren.

 

Allein am Abbaugebiet Winsenberg waren 1687 insgesamt 16 verschiedene Abbaubereiche (Gruben) verliehen. Zwischen 1671 und 1706 wurden hier durchschnittlich reichlich 8.200 Fuder Eisenstein jährlich gefördert. Der Förderschwerpunkt verlagerte sich jedoch schon Ende des 17. Jahrhunderts zunehmend an den unmittelbar nördlich angrenzenden Martenberg mit seinen wesentlich umfangreicheren Eisenerzvorkommen. Für diesen Bereich verzeichnete das Berggegenbuch im Jahr 1746 insgesamt 146 Gruben mit einer gesamten Abbaufläche von 276 Maßen (ca. 55.000m²). In den restlichen Bereichen der Gemarkung Adorf bestanden weitere 26 Gruben.

 

Die Grafen von Waldeck ließen 1755 etwa 25 Kilometer südlich von Adorf bei Berich die Bericher Hütte errichten, die 1819 im Hochofenbetrieb etwa 160 Tonnen Gusseisen produzierte. Dafür fuhren täglich bis zu 10 Fuhrwerke von Adorf zur Hütte. Die Eisenverhüttung endete hier 1875, da die Transportkosten der Pferdefuhrwerke wegen der abseitigen Lage die Produktion unrentabel gestalteten. Die Hütte verfiel danach und ging 1914 in den Fluten der Edertalsperre (Edersee) unter. Bei Niedrigwasser tauchen die Restmauern noch auf.

 

Zwischen 1796 und 1805 förderten die Gruben am Martenberg insgesamt 76.507 Bergfuder Eisenstein. Anfang des 19. Jahrhunderts ließen die Erzanbrüche jedoch nach. Drei zwischen 1811 und 1832 gefertigte Gutachten empfahlen den Zusammenschluss der in über 100 Gewerken zersplitterten Besitzverhältnisse zu einem Bergbaubetrieb, um den gegenseitigen Raubbau zu verhindern und zielgerichtet neue Vorkommen aus größern Tiefen durch die Anlage neuer Entwässerungsstollen zu ermöglichen.

 

Da es nur zögerlich zu Zusammenschlüssen der Gewerken kam, finanzierte das Waldecker Fürstenhaus ab 1835 vom Rhenetal aus den Vortrieb des Carl-Ludwig-Erbstollens als neuen Entwässerungsstollen. Der über mehrere Jahrzehnte vorgetriebene Stollen führte im Endausbau ringförmig um den Martenberg und entwässerte wieder in die Rhene. Obwohl es bis 1841 doch zum schrittweisen eigentumsrechtlichen Zusammenschluss der Gruben am Martenberg kam, stagnierte der Bergbau auf niedrigem Niveau. Dabei wirkte die Verkehrsferne abseits von Eisenbahnlinien zunehmend als Hemmnis für eine weitere Entwicklung. Die beiden Abbaugebiet am Martenberg und Semmet bei Rhenegge beschäftigten 1840 noch 55 Bergleute, 1848 waren es nur noch 22. Die jährliche Förderung ging von 5.454 Bergfuder Eisenstein (1838) auf nur noch 400 Bergfuder Eisenstein (1844) deutlich zurück.

 

1869 zählte die Grube Martenberg nur 16 Beschäftigte und erreichte eine Förderung von 19.500 Zentnern Eisenerz (ca. 1.000 Tonnen). Der Carl-Ludwig-Erbstolln war zu diesem Zeitpunkt 426 Lachter (ca. 860 Meter) weit in den Berg getrieben. Der Abbau konzentrierte sich weitgehend auf die Bereiche zwischen dem Carl-Ludwig-Stollen und dem nur etwa 16 Meter höher liegenden Felix-Martin-Stollen aus dem 16. Jahrhundert. Allerdings konnte der Carl-Ludwig-Stollen nicht als Förderstollen genutzt werden. Zur besseren Wasserlösung war sein Mundloch so tief im Rhenetal angesetzt, dass die Rhene vom Mundloch aus teils bis zu 60 Meter weit in den Stollen hinein stand. Zur Förderung wurde deshalb ein etwa 34 Meter tiefer Schacht an der Südwestseite des Martenberges abgeteuft.

 

 

Einen deutlichen Entwicklungsschub brachte die 1875 eröffnete meterspurige Rhene-Diemeltal-Eisenbahn, welche neben der Grube Martenberg auch die Gruben Christiane, Eckefeld und Reinhard mit Ladestellen erschloss, und nun einen besseren Abtransport der Erze ermöglichte. Die Bahn führte nach Bredelar. Hier bestand Anschluss an die normalspurige Obere Ruhrtalbahn.

 

Die Verhüttung der Erze erfolgte weitgehend in der 1858 eröffneten Aplerbecker Hütte in Dortmund. Von den einst zahlreichen Waldecker Hütten und Hammerwerken waren Mitte des 19. Jahrhunderts nur noch die Bericher Hütte am Edersee (1875 stillgelegt) und der Hammer in Nieder-Werbe (1884 stillgelegt) in Betrieb. Die Aplerbecker Hütte erwarb bis 1879 schrittweise die Mehrheit der Eisenerzgruben rund um Adorf, so dass erstmals in der Geschichte der Abbau zentral verwaltet und gestaltet werden konnte.

 

Der Förderbetrieb der Grube Martenberg wurde durch die Installation eines Förderturms samt Fördermaschine und den Neubau von Aufbereitungshalle, Schmiede, Steigerhaus samt Wohnung und Büro und eines Arbeiterschlafhauses für auswärtige Bergleute umfassend modernisiert. Der Carl-Ludwig-Erbstolln wurde im Profil nachgerissen, so dass der untertägige Einsatz von Pferden möglich war (daher auch die Bezeichnung als "Pfederstollen"). 1880 wurde zudem über einen Querschlag die Verbindung zum Abbaugebiet Winsenberg hergestellt. Infolge der Modernisierungsmaßnahmen kam es zu einer deutlichen Steigerung der Förderung, die Grube Martenberg erlebte eine Blütezeit ihrer Geschichte. Zwischen 1873 und 1885 belief sich die Förderung auf reichlich 230.000 Tonnen Eisenerz. Die Jahresförderung erreichte 1881 mit über 26.000 Tonnen einen Höhepunkt.

 

Die intensive Förderung ließ jedoch auch die Menge der abbauwürdigen Erze schrumpfen, was wiederum die Rentabilität sinken ließ. Zudem wirkte die Verfügbarkeit preiswerterer ausländischer Erze zunehmend als Konkurrenz. Die Förderung in den Eisenerzgruben rund um Adorf neigte sich deshalb dem Ende entgegen. 1883 wurde auf der Grube Christiane die letzte Schicht gefahren, ihr folgten wenig später auch die Gruben Reinhard (1887) und Eckefeld (1904).

 

Auf der Grube Martenberg begegnete man der Entwicklung 1891/92 mit Lohnkürzungen, was zum Streik der 148 Bergleute führte - allerdings ergebnislos. Das Schicksal der Schließung ereilte die Grube dann mitten in den Wirren des Ersten Weltkrieges, obwohl ein noch 1916/17 angefertigtes Gutachten noch Vorräte von über 1 Million Tonnen Eisenerz im Berg vermutete. Der kriegsbedingte Arbeitskräftemangel ließ die Belegschaft 1916 auf 62 Mann schrumpfen, damit war eine rentable Förderung jedoch nicht mehr möglich. Infolgedessen wurde die Grube Martenberg als letzte Eisenerzgrube im Raum Adorf im August 1917 stillgelegt. Mit dem Ende des Bergbaus kam auch das Ende der Rhene-Diemeltal-Eisenbahn, die 1923 stillgelegt und bis 1925 zurückgebaut wurde.

 

Bergbaugeschichte - erneute Aufnahme des Bergbaus und endgültige Stilllegung (1936-1963)

Im Zuge der nationalsozialistischen Autarkiewirtschaft erfolgte Mitte der 1930er Jahre eine Neuerkundung der alten Abbaugebiete durch den Stahlkonzern Mannesmannröhren-Werke AG, der nach einer Ausweitung seiner einheimischen Rohstoffbasis suchte. Schon seit 1934 durchgeführte Bohrungen im Bereich der alten Eisenerzgruben um Adorf hatten neue abbauwürdige Erzvorräte nachgewiesen. Daraufhin wurden u. a. die historischen Grubenfelder Eckefeld, Ferdinand, Hubertus, Martenberg und Webel von Mannesmann für 25 Jahre gepachtet, unter dem Namen "Grube Christiane" zusammengefasst und wieder in Betrieb genommen.

 

Die Aufschlussarbeiten begannen im August 1936 am Martenberg. Hier und am Webel wurden neue Schachtanlagen niedergebracht. Zentrum des neuen Bergwerks wurde der Schacht am Martenberg, an dem bis 1940 eine neue Aufbereitungsanlage entstand. Diese nutze die natürliche Hanglage, die einzelnen Aufbereitungsstufen waren von der Hängebank, über den Roherzbunker, die Feinerzabsiebung, die Brecheranlage, den Fertigerzbunker bis zur Verladung von oben nach unten am Hang angeordnet. Eine 2,6 Kilometer lange Seilbahn brachte die Erze der Schachtanlage Webel zum Martenberg.

 

Mitte 1940 wurde auch eine auf dem alten Planum der Rhene-Diemeltal-Eisenbahn errichtete Grubenbahn mit 900mm Spurweite in Betrieb genommen. Damit erfolgte die Wiederaufnahme des Erztransports zum Verladebahnhof Bredelar. Von hier aus wurde das Erz zur Verhüttung in das Stahlwerk Duisburg-Huckingen (heute HKM Hüttenwerke Krupp Mannesmann) transportiert, dass seit 1914 zu Mannesmann gehörte.

 

Die Erzförderung lief in kürzester Zeit erfolgreich an. 1938 wurden (noch aus dem alten Schacht Martenberg) 5.260 Tonnen Erz gefördert, 1943 erreichte sie mit 43.900 Tonnen einen vorläufigen Höhepunkt. Zu diesem Zeitpunkt kamen aufgrund des Arbeitskräftemangels auch sowjetische Kriegsgefangene im Bergwerk zum Einsatz. Anfang 1945 zählte die Grube 66 deutsche Arbeiter und Angestellte und 97 sowjetische Kriegsgefangene. Mit Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Vorrücken amerikanischer Truppen endete der Bergbau der Grube Christiane im März 1945 vorerst. Bis dahin hatte die Grube etwa 176.000 Tonnen Eisenerz gefördert.

 

Der Eisenbedarf im Zuge des Wiederaufbaus führte aber bald zur Wiederaufnahme der Förderung. Diese gestaltete sich in den ersten Jahren jedoch schwierig, da die Wasserhaltung der tiefer liegenden Sohlen der Schachtanlagen Martenberg und Webel aufgrund von Stromausfällen bzw. Stromeinschränkungsmaßnahmen nicht mehr gewährleistet war und diese Strecken erst wieder gesümpft werden mussten. Im Falle der 100-Meter-Sohle des Schachtes Martenberg dauerte dies bis 1948. Die Wiederaufnahme des Bergbaus ging mit einer Reihe von Maßnahmen zur Steigerung der Förderleistungen einher. Zwei neue stählerne Fördergerüste ersetzten 1948 die Holzfördertürme am Martenberg und am Webel. Ein Jahr später überschritt die Förderung mit reichlich 59.000 Tonnen die Jahresförderung der NS-Zeit.

 

Nachdem durch Bohrungen im Bereich der Grubenfelder Eckefeld, Ferdinand und Hubertus weitere abbauwürdige Erzvorkommen nachgewiesen wurden, begann man die Grube Christiane ab 1950 zum Verbundbergwerk auszubauen. Dabei fungierte der Schacht Martenberg als zentraler Förderschacht. Vom Schacht Webel aus, der als Material- und Personenschacht diente, erschloss man die Grubenfelder Eckefeld, Ferdinand und Hubertus durch Förderstrecken. 1952 wurde zudem die 100-Meter-Sohle des Schachtes Martenberg mit der 180-Meter-Sohle des Schachtes Webel durch eine Förderstrecke verbunden, der Seilbahnbetrieb endete damit. Der Vortrieb dieser Verbindung war schon 1944 begonnen wurden, musste aber wegen starker Wasserzuflüsse aufgegeben werden. Untertage übernahmen elektrische Grubenbahnen den Erztransport, sie ersetzten den bis dato üblichen Transport mit Pferdeloren. Die Kapazität der Aufbereitungsanlage wurde 1953 auf die Verarbeitung von 10.000 Tonnen Erz im Monat verdoppelt, der Schacht Martenberg erhielt einen neuen und nun doppelstöckigen Förderkorb.

 

Untertage kamen in zunehmenden Maße moderne Geräte und Maschinen zum Einsatz, um die Förderleistungen zu erhöhen und gleichzeitig die Kosten dafür zu minimieren. Ab 1951 nutzte man Wurfschaufellader im Streckenvortrieb, ab 1958 auch in der Förderung. Schüttelrutschen, Schrapper und druckluftangetriebene Bohrhämmer hielten Einzug in die Grube. 1960 war die Förderung zu 40% vollmechanisiert und zu 20% teilmechanisiert. Die tägliche Förderleistung der Belegschaft lag 1955 bei 1,2 Tonnen Erz und erhöhte sich bis 1960 auf 2,2 Tonnen Erz. Pro Monat wurden in Vortrieb und Förderung etwa 10.000 Bohrlöcher hergestellt.

 

Die Grube Christiane entwickelte sich zu einem wichtigen Arbeitgeber der Region, die Belegschaft erreichte 1957 mit 336 Mann ihren Höchststand (zum Vergleich: Adorf zählte damals etwa 1.500 Einwohner). Für die wachsende Belegschaft wurden in den 1950er Jahren in Adorf auch neue Wohnhäuser errichtet.

 

1954 überschritt die Förderung erstmals die Marke von 100.000 Tonnen. 1960 erreichte die Förderung mit 155.784 Tonnen einen nie zuvor (und danach) erreichten Höhepunkt. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Vorräte der Grube noch einen Abbau bis Ende der 1960er Jahre gewährleistet. Erkundungen zum Abbau weiterer Grubenfelder west-nordwestlich von Adorf bei Behringhausen und Messinghausen im Bereich der alten Gruben Emma und Johannes versprachen eine Fortführung des Bergbaus.

 

Schon Ende der 1950er Jahre zeichnete sich jedoch ab, dass ein Ende des Abbaus trotz aller Bemühungen zur Leistungssteigerung und Selbstkostensenkung absehbar war, da sich die Grube Christiane (wie auch die anderen deutschen Eisenerzgruben) in zunehmendem Maße der Konkurrenz preiswerter importierter Erze v. a. aus Indien, Kanada, Nordafrika und Südamerika stellen musste. Erschwert wurde dies durch eine Aufwertung der Deutschen Mark gegenüber dem Dollar im März 1961 und die im gleichen Jahr erfolgte Streichung der Gewährung von Zuschüssen für den Erztransport auf Bundesbahnstrecken durch die Bundesregierung. Problematisch gestaltete sich auch der in einzelnen Abbaufeldern zu hohe Kieselsäuregehalt des anstehenden Erzes.

 

Ein rentabler Abbau wurde so zunehmend unmöglich, so dass in Verbindung mit der ebenfalls voranschreitenden Auserzeung die Förderung in den Grubenfeldern Eckefeld (1960), Ferdinand und Webel (1961) und Hubertus (1962) eingestellt wurde. Im April 1963 verließ auch im Feld Martenberg der letzte Hunt die Grube Christiane. Damit endete zugleich die Eisenerzförderung an den deutschen Grubenstandorten der Mannesmannwerke.

 

In der Bilanz förderte die Grube Christiane zwischen 1946 und 1963 insgesamt etwa 1,55 Millionen Tonnen Eisenerz. Zum Zeitpunkt der Stilllegung waren noch sichere Vorräte von 180.000 Tonnen Eisenerz, wahrscheinliche Vorräte von ca. 500.000 Tonnen Eisenerz und mögliche Vorräte von ca. 200.000 Tonnen Eisenerz bekannt.

 

Bergbaugeschichte - das Besucherbergwerk "Grube Christiane"

Nach der Stilllegung wurden die technischen Anlagen samt Grubenbahn weitgehend entfernt und die Stollen und Schächte verwahrt. Das bauliche Ensemble der Aufbereitung blieb mit Ausnahme des Schachtgerüstes und der ursprünglich abgebrochenen Brücke zum Roherzbunker komplett erhalten - allerdings ohne die eigentlichen Aufbereitungsanlagen im Inneren.

 

Ab 1984 wurde ein Teil des Grubenbereiches am Martenberg wieder als Besucherbergwerk erschlossen. Dieses konnte im Mai 1986 eröffnet werden. Eine etwa 1,2 Kilometer lange Strecke erschließt dabei die untertägigen Bereiche. Die Gebäude der Aufbereitung wurden um einen 1989 eröffneten Museumsneubau mit einer interaktiv gestalteten Ausstellung ergänzt. Auch die Brücke vom ehemaligen Schacht zum Roherzbunker wurde wieder errichtet. Das ehemalige Fördermaschinenhaus ist jedoch nur als Ruine erhalten. Die gegenüber der Aufbereitung ehemals vorhandenen Gebäude der Verwaltung, der Werkstätten und des Betriebshofes wurden ebenfalls abgebrochen, hier befindet sich heute der Besucherparkplatz des Bergwerkes.

 

Literatur und weiterführende Informationen

  • Gemeinde Diemelsee (Hg.): Besucherbergwerk Grube Christiane. Diemelsee 1990
  • Heinz Bottke: Die Eisenerz-Lagerstätten der Grube Christiane bei Adorf/Waldeck. in: Der Aufschluss, Heft 7/1961, S. 177-184
  •  Buff: Der Bergbau und Hüttenbetrieb im Fürstenthum Waldeck. in: Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen in dem preussischen Staate. 18. Band, Berlin 1870, S. 178-183 (LINK)
  • Louis Friedrich Christian Curtze: Geschichte und Beschreibung des Fürstenthums Waldeck. Arolsen 1850 (LINK)
  • Dorothee Meertmann, Erhard Rettig: Grube Christiane und Rosenschlösschen bei Adorf. in: Der Aufschluss, Heft 4/2016, S. 200-211
  • Erhard Rettig: Vom Bergbau. Adorf 2019
  • Reinhard Schandelle: Schätze der Unterwelt. 1000 Jahre Bergbau im Marsberger Süden. Giershagen/Marsberg 2014
  • Rainer Slotta: Die Gruben auf den Eisensteinvorkommen im Waldecker Land. in: Bergbaumuseum Bochum (Hg.): Technische Denkmäler in der Bundesrepublik Deutschland. Band 5: Der Erzbergbau - Teil I. Bochum 1986, S. 631-649