Die Kalklagerstätte Chejnow (Chýnov)

 

Wenige Kilometer östlich der Stadt Tábor liegt ein relativ kleines Karstgebiet, welches heute durch die berühmte Chýnov-Höhle bekannt ist. In geologischer HInsicht befinden wir uns hier im Bereich des Moldanubikums, welches aus mit metamorphen Gesteinen aufgebaut wird, die von Tiefeneruptivgesteinen durchsetzt sind. Es handelt sich somit um sehr alte Gesteinspartien, die bereits in der Zeit des Proterozoikums entstanden sind. In einem Flachmeer kam es hier zur Ablagerung von Resten kalkhaltiger Pflanzen und sonstiger Organismen. Diese Sedimentation wurde oft auch durch Asche und Gesteinsbruchstücke vulkanischer Herkunft unterbrochen. Durch folgende gebirgsbildende Prozesse in späteren Erdzeitaltern kam es zur Umwandlung der Kalksedimente zu Marmor und des vulkanischen Materials zu Amphiboliten. Diese Prozesse führten auch zum Aufbrechen der ursprünglichen Gesteinspartien. Von Velmovice über die Berge Pacova und Kladrubská hora bis nach Lejčkov erstreckt sich somit heute ein 4-5 km langer und 100-150 m breiter Horizont tektonisch erheblich gestörten Kalkgesteins, welches in umliegende Paragneise eingebettet ist. Die Gesteinsschichten fallen hier nach Norden im Winkel von 40-50 Grad, wobei sich unterhalb einer Schicht grobkörnigen Marmors ein faszinierendes Karsthöhlensystem entwickelt hat.

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Schichtung der Kalksteine an der östlichen Abbauwand des Kalkbruches Pacova Hora

 

Kalk der Lagerstätten um Chýnov war in ungebranntem Zustand bereits im Mittelalter bekannt. So sagte man beispielsweise zu besonders blassen Menschen, sie würden aussehen wie der "Chýnover Tod". An konkreten Hinweisen lässt sich eine Angabe aus dem Jahr 1488 anführen, als Jindřich Hradecký Anwohnern des Dorfes Deschna (Deštná) das Anfahren von Kalksteinen aus Chýnov vergütete. Die Grundherrschaft gewährte den Bauern der im Bereich der Kalksteinvorkommen liegenden Dörfer, dass gegen einen Zins Steinbrüche angelegt und Kalk gebrannt werden durfte. Es ist durchaus denkbar, dass der Name des Berges "Pacova hora" sich von den ersten bäuerlichen Kalköfen (tschechisch: Ofen = pec) ableiten lässt. Aufgrund einer Missinterpretation könnte dann der Name des nahen Städtchens Patzau (Pacov) zur heutigen Namensform geführt haben. Beim Blick auf ältere Karten fällt auf, dass der Name Pacova hora für den weiter östlich liegenden und heute als Kladrubská hora bezeichneten Höhenrücken genutzt wurde. Interessant ist dabei auch, dass dort scheinbar auch die älteren Kalkbrüche lagen (ebenso wie im westlichen Teil der Kalksteinlagerstätte bei Velmovice).

(Quelle: Ausschnitte der Franziszeischen (1810-50) und Franzisco-Josephinischen (1870-80) Landesaufnahme)

 

Die ersten bäuerlichen Kalköfen waren noch sehr primitive Meileröfen, die in dieser Gegend die Bezeichnung "kolomaznice" (zu deutsch "Rundbüchse") erhielten. Es waren dies leicht in den Boden eingelassene Gruben, die mit Steinen ausgemauert waren. Zum Kalkbrennen wurde in den Gruben Kalkstein und Kohle ringförmig aufgestapelt und abschließend mit einer Lehmschicht überdeckt. Die Kalklager in der Umgegend des Städtchens Chýnov auf den Gemarkungen der Dörfer Unter Horschitz (Dolní Hořice) und Kladrub (Kladruby) sind in dieser Weise schon eine lange Zeit genutzt worden.

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Aufbau eines Kalkmeilers ("Rundbüchse") (Quelle: Darstellung auf einer Informationstafel vor Ort)

 

Die Kalkbrüche am Pacová hora

Als 1747 die auf dem Schloss Frauenberg (Hluboká) ansässigen Familie von Schwarzenberg die Herrschaft vom Fürsten Eggenberg erworben hatten kam es zu einer neuen Entwicklung. Schrittweise entstanden am Pacová hora unter Verwaltung der Familie Schwarzenberg zwei Schachtöfen und nach 1850 ein Ringofen mit 20 Kammern.

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Eine historische Postkarte aus dem Jahr 1905 zeigt das Kalkwerk am Pacova hora mitsamt dem Ringofen (links), den zwei Schachtöfen und dem zum Transport eingesetzten Locomobile (vorn links).

 

 

Der Kalk wurde zunächst mit Pferden transportiert. Als die Produktion zunahm, suchte das herrschaftliche Kalkwerk nach einer effektiveren Lösung für den Transport von Branntkalk zum Verladebahnhof in Tábor. Schließlich erwarb man für 20.000 Gulden ein dampfbetriebenes Locomobile von der in Rochester in England ansässigen Firma Aveling. Seit dem 14. August 1879 konnte mit dieser Maschine Kalk zum Bahnhof Tábor und auf dem Rückweg die Kohle für die Kalköfen befördert werden. Es handelte sich um die dritte Maschine dieser Art im gesamten Österreich-Ungarn und sogar die erste überhaupt in Böhmen. Im Gegensatz zu den beiden anderen war sie die einzige, die auch auf öffentlichen Straßen verkehrte. Die Streckenlänge betrug 14,3 km und man benötigte dafür auf dem Hinweg 4 Stunden und 15 Minuten sowie auf dem Rückweg - aufgrund einer reliefbedingten Umleitung - eine halbe Stunde länger. Ab der zweiten Hälfte der 1880er Jahre konnte dann der neu entstandene Bahnhof im näher gelegenen Chýnov angesteuert werden. Aufgrund eines hohen Magnesiagehalts verfügte der im Gebiet Chýnov gewonnene Kalk über besonders geschätzte Eigenschaften, die im ein sehr weites Absatzgebiet sicherten.

(Bildquelle: Darstellung auf einer Informationstafel vor Ort)

 

Zur Befriedigung des weiter steigenden Bedarfs wurde im Jahre 1905 am Bahnhof Chýnov ein neuer Ringofen mit 24 Kammern in Betrieb genommen. Er erzielte eine Monatsproduktion von 840 Tonnen Kalk und war durch eine Schmalspurbahn mit den Kalkbrüchen verbunden. Das Jahr 1911 stellte den Gipfelpunkt der hiesigen Kalkproduktion dar, als in den Kalkbrüchen und -werken bis zu 260 Menschen ihr Auskommen fanden und jährlich 17.000 Tonnen Kalk gebrannt wurden. Aufgrund des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges kam es zu einem deutlichen Produktionsrückgang. Mit dem Kriegsende kam es zu einer Wiederbelebung, die Mitte der 1920er Jahre zu einem Maximum der erzeugten Kalkmengen führte. Als die Kalkbrüche 1923 durch das Unternehmen Chýnover Kalk s.r.o. erworben worden waren, kam es bereits im Folgejahr zur Installation moderner auf Pneumatik basierender Bohrtechnik. In den Brüchen kamen außerdem Brecheranlagen zum Einsatz, da Hartgesteine wie Quarzite und Amphibolite das Kalkgestein durchsetzten. Der Kalksteinschotter wurde bis ins Jahr 1934 lediglich auf Halden gekippt. Erst dann kam es zur Installation einer Mühle, die es erlaubte Kalkmehl herzustellen. Nach einer Erweiterung dieser Anlage konnte ab 1943 auch mikrofeines Kalkmehl erzeugt werden.

 

Blick auf das Kalkwerk am Bahnhof Chýnov mit dem Ringofen aus dem Jahr 1905

(Quelle: historische Postkarte aus dem Jahr 1925)

 

Mit der Erklärung des Pacova hora zum Naturschutzgebiet im Jahre 1964 kam es zur Einstellung des Kalksteinbrechens. Lediglich in einem kleinen Teil der alten Brüche wurde die Gewinnung von Amphibolit zur Schottererzeugung bis 1998 fortgesetzt. Die Kalkproduktion ging zwar im Ringofen am Bahnhof Chýnov zunächst weiter, jedoch führte die nicht mehr gewährleistete Rentabilität im Jahre 1969 zur endgültige Aufgabe. Damit endete die Kalkproduktion nicht nur im Kreis Tábor, sondern dem gesamten Südböhmen. Der größte Teil der Betriebseinrichtungen wurde in den folgenden Jahren abgebrochen.

 

Blick auf den letzten erhaltenen Schachtofen, der 1976 abgebrochen wurde.

(Quelle: Infotafel des Lehrpfads "Pacova hora")

 

Bildbericht (Mai 2015)

 

Kalksteinbrüche am Berg Kladrubská hora

Neben dem Pacova hora wurde auch auf dem östlich angrenzenden Kladrubská hora bereits vor langer Zeit Kalkstein gebrochen. Zwar sind schriftliche Belege für die Kalkbrecherei erst aus dem Jahr 1789 vorhanden, doch zeugen die noch heute gut erhaltenen Bauernbrüche von der frühen Steinbrecherei. Als im Jahre 1873 die Herrschaft zu Chýnov am Kladrubská hora einen modernen Schachtofen anlegen ließ kam es zur verstärkten Nutzung des hiesigen Kalksteinlagers, was an einem umfangreichen dreietagigen Kalksteinbruch erkennbar ist. An dieser Stelle sind auch Versuche eines unterirdischen Abbaus erfolgt, wovon Relikte eines Stollen erkennbar sind. Der Betrieb an dem heute als Naturreservat ausgewiesenen Berg endete 1960. Die Steinbrüche sind somit heute von der Natur zurückerobert worden und Relikte der Betriebseinrichtungen sind kaum mehr vorhanden. Dennoch lassen sich einige interessante geologische Details erkennen und insbesondere der östliche Teil des Höhenzuges zeigt eindrucksvoll das Wesen der vorindustriellen bäuerlichen Kalkgewinnung mit den unregelmäßig auf der Feldflur angelegten "Kalklöchern". Die folgende Bildgalerie zeigt einige Impressionen des heutigen Zustandes. Zur Orientierung kann diese Übersichtskarte dienen (Nummern entsprechend den Fotostandorten im Bildbericht).

(Bildquelle: Darstellung auf einer Informationstafel vor Ort - eigene Nummerierung)

 

Bildbericht (Mai 2015)

 

Literatur und weiterführende Informationen

  • Die Chejnover Höhle (Führer der Česká společnost speleologická)

  • Láník, J. – Cikrt, M., 2001: Dvě tisíciletí vápenictví a cementárenství v českých zemích.