Pirnisch Eisen - Die Eisenverarbeitung und der Eisenkunstguss im Hinterland von Pirna

 

Eisen ist seit vielen Jahrhunderten eines der wichtigsten Gebrauchsmetalle der Menschheit. Die breite Verwendung als Werkstoff setzte sich in Mittel- und Westeuropa wohl um das Jahr 750 v. Chr. durch und markierte zugleich den Beginn der Eisenzeit.

 

Die mittelalterliche Landnahme und Erschließung Sachsens wäre ohne die Vergügbarkeit von Eisenerzen, welche die Herstellung von Werkzeugen, Waffen und Gebrauchsgegenständen ermöglichten, nicht möglich gewesen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die südöstlich von Dresden um das heutige Städtchen Berggießhübel vorhandenen Vorkommen von Magnetit sowie Braun- und Roteisenerzen bereits im Zuge der Besiedlung der Region ab dem 11./12. Jahrhundert entdeckt, zielgerichtet abgebaut und verarbeitet wurden. Ähnliches trifft wohl auch auf die weiteren osterzgebirgischen Vorkommen bei Johnsbach, Kipsdorf, Reichstädt, Reinhardtsgrimma und Schellerhau zu, die vom Umfang her aber deutlich hinter Berggießhübel zurückstanden.

 

Der Berggießhübeler Eisenbergbau lässt sich seit 1447 urkundlich nachweisen, doch schon die 1325 nach einem Brand erneuerten Privilegienbriefe der Stadt Pirna, die sogenannte "Pirnaer Zollrolle", nannten Eisen und daraus gefertigte Braupfannen, Pflugschare, Sicheln, Scheren und Schwerter als Waren, die von Pirna aus gehandelt wurden.

 

Für die Jahre 1443/45 nannten Zinsabrechnungen der Burg Dohna und des Amtes Pirna schon insgesamt 20 Hammerwerke (teilweise bereits wüst liegend) bzw. Hammerwerksbesitzer. Die Lage dieser Hammerwerke von der Müglitz (Schlottwitz, Glashütte) im Westen über die Gottleuba (Haselberg) und Bahra (Fichte, Kleppisch) bis zur Biela (Oberhütte, Mittelhütte) im Osten spiegelte ein räumlich ausgedehntes Reviers der Eisenverarbeitung zwischen Osterzgebirge und Sächsischer Schweiz wieder. Zu einem Großteil wurden in den Hämmern Berggießhübeler Eisenerze verarbeitet, die über ein Netz von Eisenstraßen transportiert wurden.

 

Die geförderten Eisenerze waren Stoffgemische aus Eisenoxiden und Begleitmaterialien, wobei der Eisengehalt in den Eisenoxiden beim Magneteisenerz bis zu 70% betragen konnte. Um das Eisen nutzbar zu machen war eine Aufbereitung notwendig, bei der der Sauerstoff aus den Eisenoxiden und die (nutzlosen) Begleitmineralien entfernt und das Roherz in Eisen von hoher Reinheit überführt wurde. Das Grundprinzip der Aufbereitung bestand im Herausschmelzen der unbrauchbaren Stoffe. Chemisch fand dabei eine Reduktion statt, bei welcher der Sauerstoff des Eisenoxides zu Kohlendioxid und Kohlenmonoxid reagierte und als Reaktionsprodukt Roheisen entstand. Die entscheidende Größe bei diesem Prozess war die Temperatur, die im jeweiligen Ofen erreicht wurde.

 

Die ersten Hammerhütten im Pirnaer Hinterland verfügten vermutlich über sogenannte Rennöfen, in denen bei Temperaturen von etwa 1.000-1.200°C die Eisenerze erhitzt wurden. Diese Temperaturen reichten zur Herstellung einer flüssigen Eisenschmelze nicht aus, da Eisen erst oberhalb von 1.500 °C schmilzt. Allerdings konnte das in den Erzen enthaltene taube Gestein verflüssigt werden, welches zum Großteil als Schlacke aus Öffnungen am Boden des Ofens herausrann - daher leitete sich auch der Name Rennofen ab. Ein anderer Teil der Schlacke verband sich mit dem schwammigen Eisen zu einem teigigen Eisenklumpen, der Luppe genannt wurde. Zum Herausnehmen der Luppe vom Boden des Ofens mußte dieser zum großen Teil zerstört werden. Deshalb sind intakte Rennöfen so gut wie nie auffindbar, ihre genaue Rekonstruktion ist dementsprechend schwierig. Durch wiederholtes vorsichtiges Aufheizen im Schmiedefeuer konnte die Luppe von der Schlacke befreit werden. Dass entstandene Eisen wurde dann vom Schmied weiter zu Geräten, Werkzeugen, Waffen u. a. verarbeitet.

 

Arbeitsschritte der mittelalterlichen Eisenerzeugung vor der Einführung des Hochofens:

 

oben: Rennofen, Erhitzen des Eisenerzes bis ca. 1.200°C, Entstehen einer teigigen Masse (Luppe), Abfluss der Schlacke am Ofenfuß

 

mitte: Luppenschmieden, Verdichtung und Abschlagen der Verunreinigungen

 

unten: Hammer, Zerteilen der Luppe in kleinere Stücke mittels wasserrad- getriebener Schwanzhämmer

 

(Quelle: Georgius Agricola: De re metallica libri XII. Basel 1556)

 

Um den steigenden Eisenbedarf decken zu können, wurde nach Wegen zur Produktivitätssteigerung gesucht. Deshalb ging man vermutlich schon im 15. Jahrhundert dazu über, die dem Feuer zugeführte Luftmenge durch den Einsatz von wasserradgetriebenen Blasebälgen zu erhöhen. Spätestens jetzt wurden die Hammerhütten an die Gebirgsbäche und -flüsse verlegt. Dadurch gewannen auch die Öfen selbst an Höhe. Aus den Rennöfen entstanden sogenannte Stücköfen, die etwa 5 bis 6 Meter hoch waren und bei jedem Schmelzversuch ein 200 bis 300 Kilogramm schweres Stück (daher der Name Stückofen) Schmiedeeisen lieferten.

 

Der Einsatz wassergetriebener Blasebälge bewirkte eine deutliche Leistungssteigerung und eine bessere Schmelzung des Eisenerzes, da dieses aufgrund der vermehrten Luftzufuhr stärker reduziert wurde. Das Eisen nahm mehr Kohlenstoff auf, so dass die Schmelztemperatur abnahm. Bald wurde eine Temperatur erreicht, bei der das Eisen nicht mehr nur als teigige Luppe entstand, sondern auch als Schmelzprodukt mit aus dem Ofen floss. Dies war die Geburtstunde des Hochofens und der Roheisenherstellung.

 

Allerdings fanden die Hüttenwerker anfangs nur begrenzt Verwendung für das neue Roheisen, denn es war aufgrund des Anteil an Kohlenstoff, Mangan, Schwefel, Silizium und Phosphor sehr hart, unelastisch, spröde und zersprang nach dem Erkalten unter den Hammerschlägen wie Glas. Es war ein unerwünschtes Abfallprodukt und wurde deshalb in anderen Bergbaurevieren auch "Dreckstein" genannt. Bald aber lernte man die Vorteile dieses schmelzflüssigen Roheisens kennen: Es war in zahlreiche Formen gießbar und wurde deshalb bald Gusseisen genannt. Die leichte Formbarkeit erlaubte es, Produkte, die wenig belastbar sein mussten (u. a. Ofenplatten, Herdteile, Pfannen, Kanonenrohre- und kugeln) schnell und in großer Stückzahl herzustellen.

 

Neben dem Gießen lernte der Hüttenwerker auch, das Gusseisen wieder schmiedbar zu machen. Das wurde durch ein erneutes erhitzen und die Zufuhr von Sauerstoff erreicht. In diesem „frischen“ genannten Prozess wurden die unerwünschten Bestandteile und ein Teil des Kohlenstoffes oxidiert und entfernt. Wenn der Kohlenstoffgehalt zwischen 0,5 und 2 % lag, wurde Stahl erzeugt. In Form von Stahl ist Eisen bis heute das wichtigste Gebrauchmetall der Menschheit geblieben (auch wenn in den letzten Jahren neue Nichteisenwerkstoffe wie z. B. Kohlefaser verstärkt zum Einsatz kommen).

 

Zeitlich lässt sich der Übergang von der Renn- und Stückofentechnologie zur Hochofentechnologie nicht genau datieren, da er in jedem Eisenerzrevier zu einem anderen Zeitpunkt einsetzte. Tatsache ist jedoch, dass es in der Ausbreitung der neuen Technolgie in Deutschland eine West-Ost-Wanderung gegeben hat. Ausgangspunkt könnten die Reviere im Siegerland und der Eifel gewesen sein, hier geht man von der Einführung der Hochofentechnologie spätestens im ausgehenden 14. Jahrhundert aus. In den folgenden Jahrzehnten verbreitete sich die Technologie weiter und erreichte im frühen 16. Jahrhundert wohl die Bergbaugebiete in Hessen, im Harz und auch in Sachsen.

 

Hier beginnt der zugewanderte Eisengießmeister Hans Rabe um 1520 in der Gießhütte Giesenstein unweit von Berggießhübel mit der Herstellung gusseiserner Produkte. Herzog Georg der Bärtige (1471-1539) gab beim "Kugelgießer im Gießhüblein" v. a folgende Waren in Auftrag:

 

"...kugeln, topffe, ofen, herdte oder anders, das wir bedorffen (...) Desgleichen soll er uns pucher so man zum bergwergk braucht (...) volgen lassen...".

 

Aus dieser und auch späteren Ausführungen lassen sich insbesondere drei Produktgruppen unterscheiden, für die Gusseisen zur Anwendung kam:

  1. militärische Erzeugnisse (v. a. Geschütz- und Büchsenkugeln, Kanonen, Mörser etc.)
  2. Erzeugnisse für Bergbau und Handwerk (v. a. Stempel für Pochwerke, Krumm- und Pleuelzapfen für Bergwerke und Mühlen, Kessel und Pfannen für Salz- und Seifensieder, Mörser für Farbwerke, Ambosse etc.)
  3. Erzeugnisse des höfischen und privaten Bedarfs (u. a. Ofen-, Kamin-, Herd- und Grabplatten).

Die Reihenfolge stellt gleichzeitig eine Wertung dar. Sie zeigt, dass gusseiserne Ofenplatten nur untergeordnet und nur als zeitlicher "Lückenfüller" im Produktionsablauf der Gießhütten hergestellt wurden. Gleichwohl begründete der Guss dieser Platten den Ruhm des sogenannten "Pirnisch Eisen".

 

Der Guß der Platten erfolgte in einem Sandbett, welches über Holzstempel (sogenannte "Modeln") die Modellierung künstlerischer Verzierungen wie Ornamente, Figuren und Inschriften zuließ. Anfangs wurden diese Verzierungen noch einzeln in das Sandbett gedrückt. Später wurden ganze Formenbretter in Größe der Ofenplatte hergestellt. Während die Seitenplatten eines Ofens kunstvoll verziert waren, wurden oben und unten nur glatte Herdplatten verwendet. Über dem Feuerkasten des Ofens befand sich ein tönerner Aufsatz, der die Wärme speicherte (wobei in Sachsen vorrangig tönerne Aufsätze verwendet wurden, Oberöfen ebenfalls aus Eisen hat es hier offensichtlich kaum gegeben). Teilweise wurden die Ofenplatten auch bemalt, insbesondere wenn es sich um Wappendarstellungen handelte. Die Füße des Ofens waren oft aus Stein gefertigt, dafür war Sachsen ja reich an Festgesteinslagerstätten, teilweise fanden sich aber auch eiserne Ofenfüsse.  

 

1541 verlegte Rabe seine Gießhütte ins Bielatal an den alten Hammerwerksstandort Hütten unterhalb der damaligen Burg Königstein. Nach seinem Tod (um 1548) führte ab 1552 Georg Schwarz den Betrieb der Gießhütte weiter. Er übernahm zunächst die Gußformen von Hans Rabe (die sogenannten "Modeln"), beauftragte aber zugleich namhafte Bildhauer und Holzschnitzer wie Hans Walter (*1526; †1586) mit der Herstellung neuer hölzerner Formplatten. Georg Schwarz fertigte bis zu 1,65 Meter hohe Ofenplatten, die zu den größten in Deutschland gefertigten Platten gehörten. Aufgrund der Arbeit der Schwarzschen Gießhütte war Hütten im 16. und frühen 17. Jahrhundert eines der bedeutendsten Zentren der Eisengießerei und des Ofenplattengusses in Deutschland.

 

Schon 1546 erwähnt der bekannte Montanwissenschaftler Georgius Agricola in seinem Werk "De veteribus et novis metallis libri II" den in seiner Blüte stehenden Berggießhübeler Eisenbergbau und gibt an:

 

"Doch das vorzüglichste (Eisen) bricht bei Lauenstein und Gießhübel, wo ebenfalls eiserne Öfen hergestellt werden."

 

Der Chronist Petrus Albinus bestätigt dies 1590 in seiner "Meißnischen Land- und Bergchronik" und prägt für die aus Berggießhübeler Erz hergestellten Produkte den Begriff des "Pirnisch Eisen" als frühen Handels- und Markennamen.

 

Ofenplatten galten bis ins 17. Jahrhundert hinein als Kostbarkeiten, die Verwendung konzentrierte sich auf die Haushalte des Adels, reicher Bürger und Händler, kirchliche Einrichtungen und öffentliche Einrichtungen wie Rat- und Amtshäuser. Die Schwarzschen Platten des 16. Jahrhunderts wurden u. a. zur Aussstattung der Schlösser Augustusburg (erbaut 1568/72), Freiberg (Schloss Freudenstein, Neubau 1566/77), Colditz und Dresden (Residenzschloss) geliefert. Für das Alte Rathaus Leipzig (erbaut 1556/57) ist 1556 eine Lieferung von 20 Öfen mit etwa 60 Platten für 578 Gulden belegt.

 

Nach dem Tod von Georg Schwarz (1586) verweigerte Kurfürst Christian I. den Erben von Schwarz die Verlängerung des Privilegs zum Eisenguss. Stattdessen errichtete der Kurfürst 1588 eine eigene Gießhütte unterhalb der Burg Königstein. Diese Entscheidung ist sicher auch im Zusammenhang mit dem ab 1589 begonnen Ausbau der Burg zur Festung zu sehen.

 

Bergbau und Eisengießerei kamen im Dreißigjährigen Krieg weitgehend zum Erliegen. Nach dem Kriegsende setzte dann eine Entwicklung ein, die zur flächendeckenden Verbreitung des Hochofenbetriebes und damit des Eisengusses im Hinterland von Pirna führten. 1649 wurde im Hammerwerk Bahra ein erster Hochofen errichtet. Weitere Öfen folgten in der Oberhütte Rosenthal (1653), im Kammerhof Markersbach (1658), in Schmiedeberg (1658), in Neidberg (1661) und Brausenstein (1693). Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts verfügen alle 15 in Betrieb stehenden Hammerhütten im Revier des Pirnisch Eisen über einen Hochofen. Das Produktionsspektrum entsprach den o. g. Produktgruppen. 

 

Die mit dem intensiven Hüttenbetrieb einhergehende Waldverwüstung führte 1731 zum Erlass einer kurfürstlichen Holzordnung, welche die begünstigte Holzentnahme durch die Hammerhütten weitgehend untersagt. Damit war die Rentabilität des Hüttenbetriebes kaum noch gegeben, so dass die Standorte bis 1805 ihren Betrieb einstellten. Einzig der im Weißeritztal gelegene Hüttenstandort Schmiedeberg arbeitete weiter und produzierte insbesondere Zubehör für den Altenberger Zinnbergbau. 1836 nahm in Berggießhübel ein neues Eisenwerk mit Hochofen seinen Betrieb auf, das bis in die 1890er Jahre Berggießhübeler Eisenerz verhüttet und u. a. Gasröhren, Eisenbahnräder und Ofenplatten herstellte. Damit endete nach etwa 370 Jahren die Herstellung von Gusswaren im Revier des "Pirnisch Eisen" - zumindest unter Nutzung der in Berggießhübel bzw. im Osterzgebirge gewonnenen Eisenerze.

 

Jedoch blieben eine Reihe von Sachzeugen diese Epoche erhalten. Im Bielatal steht bis heute der 1693 errichtete ca. 8 Meter hohe Hochofen der 1410 erstmals erwähnten Hammerhütte Brausenstein. Der Ofen ist der einzige erhaltene Sachzeuge der Produktionstechnik des Hammerhüttenwesens im gesamten Revier des „Pirnisch Eisen“. Er gehört zudem zu den wenigen erhaltenen historischen Hochöfen in den Neuen Bundesländern. Vergleichbare Anlagen sind nur noch an den Standorten Schmalzgrube, (erhaltener Hochofen von 1659), Peitz (erhaltener Hochofen von 1809), Morgenröthe-Rautenkranz (erhaltener Hochofen von 1820/22) und Schmalkalden (Neue Hütte) (erhaltener Hochofen von 1835) vorhanden. Der Hochofenbetrieb endete in Brausenstein wohl um 1734/1750. Das Werk verfiel danach und der Hochofen war bereits Anfang des 19. Jahrhunderts nur noch als Ruine vorhanden. Alle anderen zum Ofen gehörenden Anlagen (Gießhaus, Schlackenpochwerk, Kohlhaus, Waagehäuschen) blieben nicht erhalten, auch das eigentliche Hammerwerk ist heute nicht mehr vorhanden. Teilweise erhalten blieben jedoch die Beschickungsrampe, der Hammergraben, das Wasserradgefälle und der Verbindungsweg zur Werkssiedlung der Hüttenarbeiter (Dorf Brausenstein).

 

Der historische Hochofen Brausenstein

 

An mehreren Orten blieben zudem die Gießprodukte v. a. in Form von Ofen-, Grab- und Inschriftenplatten erhalten. Die nachfolgenden Zusammenstellung dokumentiert einen Teil dieser Erzeugnisse. Dabei erfolgte soweit bekannt eine Zuordnung zu den jeweiligen Herstellungsorten.

 

Der Vollständigkeit halber werden auch weitere Gussprodukte aus unserer Fotosammlung mit dargestellt, auch wenn sich nicht aus Berggießhübler Eisenerz hergestellt und damit nicht dem Revier des "Pirnisch Eisen" zuzurechnen sind.

 

Die Gießhütten des Hans Rabe in Giesenstein und Hütten

Der (vermutlich aus der Eifel) zugewanderte Eisengießmeister Hans Rabe begann um 1520 in Giesenstein etwa 1,5 Kilometer südlich von Berggießhübel mit der Herstellung gusseiserner Produkte im Auftrag von Herzog Georg dem Bärtigen (1471-1539). 1541 verlegte Rabe seinen Produktionsstandort in die Sächsische Schweiz. Neuer Standort war Hütten im Bielatal unterhalb der Burg (und späteren Festung) Königstein. Hier wirkte Rabe bis zu seinem Tod um 1548. Von einem wirken als Eisengießer zeugen bis heute sieben Ofenplatten, die ursprünglich u. a. in Pirnaer Bürgerhäusern und der böhmischen Bergstadt Sankt Joachimsthal (Jáchymov) verwendet wurden. Typisch für diese Platten ist die Verwendung von Modeln, d. h. von einzelnen Holzstempeln, über die Motive wie Figuren und Sterne auf den Ofenplatten gestaltet wurden. Dabei stellte Rabe sowohl geistliche wie auch weltliche Personen dar. Markant war insbesondere die Darstellung eines Bergmanns, welches später zum Vorbild für das Berggießhübeler Stadtwappen wurde.

Ofenplatte Giesenstein Hans Rabe Gusseisen Kunst Pirnisch Eisen

 

 

Das Foto zeigt den Abdruck einer vermutlich um 1525 in Giesenstein gefertigten Ofenplatte, die in Sankt Joachimsthal (Jáchymov) verwendet wurde. Neben dem Rahmenprofil ist die Platte durch Leisten in drei Felder geteilt. Im oberen Feld sind eine knieende Frau mit Rosenkranz in den Händen, Jesus am Kreuz mit wehendem Lendentuch, ein im Berg mit Schlägel und Eisen arbeitender Knappe und verschiedene sechsstrahlige Sterne dargestellt. Die unteren Felder zeigen zwei türkische Reiter.

 

Die Ofenplatte befindet sich im Original im Fundus des Nationalmuseums in Prag. Der fotografierte Abdruck (Kunststoff) ist im Besucherbergwerk Marie Louise Stolln Berggießhübel ausgestellt.

 

 

Ofenplatte Giesenstein Hans Rabe Gusseisen Kunst Pirnisch Eisen

 

Die Detaildarstellung zeigt das obere Feld dieser Platte. Bemerkenswert ist insbesondere die Bergmannsdarstellung, die zeitlich in einer Reihe mit ähnlichen Darstellungen an der Kanzel der St. Annenkirche in Annaberg-Buchholz (1516) und auf dem Bergaltar (1521) der gleichen Kirche zu sehen ist. Alle drei Darstellungen zählen somit zu den frühesten überlieferten Abbildungen der erzgebirgischen Knappen.

Ofenplatte Giesenstein Hans Rabe Gusseisen Kunst Pirnisch Eisen

 

 

 

Wohl ebenfalls in Giesensein wurde um 1525 diese vierteilige Ofenplatte gegossen, die vermutlich in Dippoldiswalde verwendet wurde. Auf Ihr finden sich in den beiden unteren Feldern erneut die schon bei der o. g. Platte verwendeten Modeln des  Jesus am Kreuz mit wehendem Lendentuch und des türkischen Reiters. Die beiden oberen Felder zeigen links den Heiligen Christophorus, der als Riese mit Stab das Jesuskind trägt. Im rechten Feld ist Johannes der Täufer dargestellt. Die Ofenplatte befindet sich heute im Fundus des Stadt- und Bergbaumuseums Freiberg.

Ofenplatte Giesenstein Hans Rabe Gusseisen Kunst Pirnisch Eisen

 

 

 

Die Detaildarstellung zeigt die beiden oberen Felder der Platte. Der links dargestellte Heilige Christophorus trägt in Gemälden, die etwa zur gleichen Zeit wie die Ofenplatte entstanden sind (z. B. von

Dieric Bouts um 1467/68), das Jesusukind oftmals über einen Fluss.

 

Die Oberhütte bei Rosenthal

Die im oberen Bielatal zwischen der Schweizermühle und der Ottomühle gelegene Anlage wird Mitte des 15. Jahrhunderts erstmals als "Rosintal Kirchelehen und hemern" urkundlich genannt. Wenig später ist 1478 von "Rosental sampt dem hammer doselbist" die Rede. Der Name "Obirhütte" tauchte 1518 erstmals in der Geschichtsschreibung auf und 1548 erfolgt die Bezeichnung als "Hamer Oberhütten". Die Bezeichnungen deuten darauf hin, dass es sich anfangs nur um ein Hammerwerk handelte, dass geschmiedete Waren herstellte. 1653 gelangte der Hammer in den Besitz des Hammermeisters Hans Joachim Münch, dem im gleichen Jahr der Bau eines Hochofens gestattet wurde.

 

Münch stammte ursprünglich vom böhmischen Hammerwerk Eiland (Ostrov) am Oberlauf der Biela. Münchs Vater musste Böhmen wohl im Zuge des Dreißigjährigen Krieges verlassen und wirkte als Verwalter der kurfürstlichen Gießhütte Hütten. Über diese Verbindung ist vermutlich der Einstieg der Oberhütte in die Herstellung gusseiserner Kanonen, Kugeln und Granaten zu erklären, welche von hier aus u. a. an das Dresdner Zeughaus (1674), nach Freiberg (1676) und wohl sogar bis nach Holland geliefert wurden. Die Oberhütte blieb bis 1707 im Besitz der Familie Münch. Schon um diese Zeit geriet die Hütte aufgrund des Holzmangels jedoch in wirtschaftliche Schwierigkeiten, so dass der Betrieb 1726 eingestellt wurde. Schon wenig später lag die Hammerhütte 1735 wüst.

 

Eisenkunstguss wurde in der Oberhütte vermutlich nur unter Hans Joachim Münch betrieben. An der Außenwand des alten Gemeindeamtes Rosenthal sind zwei 1663 gegossene Ofenplatten erhalten, welche aus dem Wohnhaus der Oberhütte stammten. Eine der Platten zeigt zwei Jungfrauen mit Palmwedeln...

 

 

 

 

 

...welche ein sogenanntes "redendes" Wappen umgeben. Es zeigt das Wappen der Familie Münch, welches von einem Mönch (=Münch) bekrönt ist. Die Initialen "H I M" deuten darauf hin, dass es sich um Hans Joachim Münch selbst handeln soll.

 

 

 

 

Die Stirnseite des Ofens bildete eine Ofenplatte mit dem kursächsischen Wappen. Die vier Engelsköpfe in den Ecken finden sich auch auf der Wappenplatte von Hans Joachim Münch.

 

Literatur und weiterführende Informationen

  • Walther Hentschel: Kursächsischer Eisenkunstguss. Dresden 1955
  • Albrecht Kippenberger: Eisenguß. in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. IV (1957), Sp. 1109–1138 (LINK)
  • Gunter H. Schmidt: Vom Pirnischen Eisen. Aus der Geschichte der alten Hämmer und Hütten im Raum Pirna. Pirna 1984