Altbergbau im Müglitztal bei Lauenstein und Bärenstein

Das inzwischen sanierte Huthaus fällt als schöner Fachwerkbau an der Müglitztal zwischen Bärenstein und Lauenstein dem Vorbeifahrenden ins Auge. Das 1785 entstandene und bis in die 1990er Jahre als Gasthaus genutzte Bauwerk zeigt durch seinen Namen eine ursprüngliche Nutzung als Bergwerksverwaltungsgebäude an. Tatsächlich hatte es diese Funktion für gleich zwei Bergwerke: zunächst der Grube “Tiefen Hiob Stolln” am linken Talhang sowie danach der Grube “Gabe Gottes” auf der gegenüberliegenden Talseite.

Das Huthaus nach der Sanierung.
Das Huthaus nach der Sanierung.

 Die Gabe Gottes-Fundgrube

 

Am Steilhang rechts der Müglitz findet man heute noch zahlreiche Bergbauspuren. Neben dem vollständig erhaltenen Mundloch eines Stollens (2) findet man unmittelbar daneben eine große Schachtpinge (3). Unweit davon ist eine Halde mit verbrochenem Mundloch (4) sowie weiter oben am Hang zwei weitere Bereiche mit Halden und Pingen erkennbar (1 und 5).

(Reliefkarte: Sachsenatlas - https://geoportal.sachsen.de)
(Reliefkarte: Sachsenatlas - https://geoportal.sachsen.de)

Das gesamte Altbergbaugebiet am rechten Talhang liegt in der Zone des um Bärenstein und Lauenstein großflächig verbreiteten Grauen Freiberger Gneis (Biotitgneis). In der 1906 herausgegebenen Geologischen Karte (Blatt 119) ist die damals bereits nicht mehr in Betrieb stehende “Gabe Gottes-Fdgr.” mit Namen verzeichnet. Kartiert wurden dabei zwei Gänge der “kiesig-blendigen Bleierz-Formation” mit einem Streichen SW-NO.

Im Bergarchiv Freiberg blieben mehrere Akten über das Bergwerk Gabe Gottes erhalten. Sie betreffen das 18. und 19. Jahrhundert, wenngleich der Bergbau an dieser Stelle bis mindestens Mitte des 16. Jahrhunderts zurückreichen muss. Am ausführlichsten berichten die Akten über den Zeitraum 1857-61, als eine Gewerkschaft zusammengetreten war und beabsichtige den Abbau mit “modernen” Methoden erneut aufzunehmen.

18. und frühes 19. Jahrhundert

Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden immer wieder Versuche unternommen die alte Gabe Gottes-Fundgrube gewinnbringend in Betrieb zu nehmen. Zur Gewinnung zahlungskräftiger Investoren wurden dabei alte Bergamtsakten als “Werbung” herangezogen in denen es hieß: Gabe Gottes war “ein uraltes, jederzeit gar höffliches Berggebäude von welchem ein Ansehnliches an Silber und Kupfer ausgebracht worden sei”. Das bereits vorhandene Bergwerk war dabei im Jahr 1708 erneut aufgenommen worden, wobei man zugleich eine Schutzhütte, Pochwerk, Wäsche und Kunstgezeug angelegt hatte. Die geförderten kupferhaltigen Erze hatte man in der eigenen Hütte zu Schwarzkupfer geschmolzen und danach in Oberpöbel zu Garkupfer weiterverarbeiten lassen. Tatsächlich blieb der Ertrag aber so gering, dass der Betrieb bereits 1720 wieder eingestellt worden war.

(Quelle: Bergarchiv Freiberg 40170-104)
(Quelle: Bergarchiv Freiberg 40170-104)

Zum Ende des Jahres 1755 unternahm der in Löwenhain wohnende Bergmann Johann Gottfried Scharfe den Versuch, das Bergwerk wieder in Betrieb zu nehmen. Seine Hoffnung war genährt durch Archivquellen, wonach bei Gabe Gottes früher bis zu 16 Zentner Kupfer und 20 Mark Silber (ca. 4,5 kg) pro Quartal ausgebracht werden konnten. Weil der tiefe Stollen damals nicht mehr als 120 m lang war, erhoffte man sich, durch einen weiteren Forttrieb neue Teile des Erzlagers zu erschließen. Welche konkreten Erkundungsbauten vorgenommen worden sind und ob auch ein Erzausbringen erfolgte ist leider nicht dokumentiert.

Im Jahr 1803 wurde jedenfalls ein erneuter Versuch unternommen das Bergwerk in Gang zu bringen. Doch auch dieses Unternehmen blieb letztendlich erfolglos, weil man erkennen musste, dass der inzwischen auf immerhin 180 m Länge aufgefahrene untere Stollen mit zunehmender Länge eine immer geringere Erzführung zeigte.  Lediglich bei 6, 14 und 42 m vom Mundloch existierten drei Gesenke, in denen man bereits früher den Abbau des Erzes vorgenommen hatte. Auch in dem inzwischen 116 m langen oberen Stollen bestand nur im vorderen Bereich (bei 40 m vom Mundloch) ein Gesenk auf dem früher ein Erzabbau erfolgt war. 

1857-61

Im April 1857 kam es zur Betriebsübernahme durch die Gewerkschaft “Gabe Gottes”, deren Grubenvorstand Carl Neubert wurde. Jener hatte zuvor die alleinigen Abbaurechte erworben und durch geschickte Werbung Mitinvestoren gewinnen können. Die Arbeiten begannen mit der Aufwältigung des Unteren Stollens, der wegen seiner geringen Höhe teilweise nachgerissen werden musste. Die ersten 6 m erhielten eine neue Zimmerung und bis 36 m stellte man eine gemauerte Wasserseige her. Die Aufwältigung endete nach ca. 90 m an einem Verbruch. Daher konzentrierte man sich auf den vorderen Bereich des Stollens, in dem nun die drei Gesenke untersucht werden sollten. Bis Januar 1859 gelang es, im hinteren Gesenk das Wasser abzupumpen, wodurch man in 22 m Teufe auf eine tiefergelegene Strecke gelangte. Diese stellte die Verbindung zum vorderen Gesenk her, welches allerdings nach oben hin zugesetzt war. Anhand der dort noch vorhandenen Reste eines Kunstgezeugs, erkannte man, dass es sich beim vorderen Gesenk um den ehemaligen Hauptschacht gehandelt haben muss. Nach Meinung des Bergmeisters Perl hatte man früher wohl eine Wasserhaltung bis in Teufen von 40 m unter der Talsohle erreichen können. Scheinbar war damals jedoch nicht mehr die Radstube und der Kunstgraben vor dem Stollenmundloch vorhanden, deren Reste noch 1802 erwähnt worden waren.

 

Zunächst versuchte man aber nicht im vorderen Gesenk weiter in die Tiefe zu gelangen, sondern ging auf der tiefen Strecke in Richtung Westen (also in den Bereich unter der Sohle des Müglitztals) voran. Dabei gelang es bis Mai 1858 offensichtlich den alten Hauptabbaubereich dieser Sohle zu erreichen. Hier kreuzten sich in einem “chloritischen” Gneis drei bis vier Gangtrümer mit Mächtigkeiten von 4 bis 8 m die Blende, Bleiglanz und Kupferkies führten. Auf einer Länge von 16 bis 20 m waren diese Erzgänge in der Firste und auf der Sohle vollständig abgebaut worden, wodurch eine “ziemliche Weitung” entstanden war.

Nun begann man hier sowie an zwei weiteren Stellen auf der tiefen Strecke Versuchsorte anzulegen, wobei man auch auf Erzgänge traf, die allerdings nie mehr als 5 cm Mächtigkeit erreichten. Zudem war der Erzgehalt (Bleiglanz, Blende, Kupfer und Schwefelkies) eher gering, so dass man nur “Pochgänge” erzielte. Überhaupt war durch Bergmeister Perl festgestellt worden, dass der mit dem Gabe Gottes Stollen verfolgte Morgengang an sich “taub” war und er nur in Bereichen querender Gänge eine Erzführung besaß. In der Hoffnung, dass der Erzgehalt in der Tiefe zunehmen würde, entschloss man sich auf Anraten des Bergamts dazu, einen Richtschacht anzulegen.

Grundriss von Markscheider Ernst Städter (Quelle: Bergarchiv Freiberg 40040-B112)
Grundriss von Markscheider Ernst Städter (Quelle: Bergarchiv Freiberg 40040-B112)

Dessen Lage ergab sich aus zwei Erwägungen heraus:

 

1) Die brüchigen Gesenke im Stollen waren kaum zweckdienlich um darin eine angemessene Fahrung, Förderung und Wasserhaltung zu gewährleisten.

 

2) Der laut damaliger Archivquellen im Jahr 1551 aufgefahrene Fabian Sebastian-Stolln war wegen des vollständigen Verbruchs nicht weiter aufgewältigt worden. Allerdings erkannte man einen Erzgang, der bei gleichbleibendem Einfallen in einer Teufe von 40 bis 60 m den Gabe Gottes-Gang kreuzen müsste. Jenes Gangkreuz versuchte man nun mit dem Schacht anzutreffen.

Somit ergab sich die Position unmittelbar auf der Talsohle ca. 46 m nordwestlich des Mundlochs des Gabe Gottes-Erbstollns. Nachdem im Juli 1858 die Gewerkenversammlung der Anlegung des Schachtes zugestimmt hatte, begann man mit Beginn des Jahres 1859 das Abteufen. Bis November 1859 konnte eine Teufe von 18 m erreicht werden, wobei bis zu 7 Bergmänner ununterbrochen arbeiteten. Unter den Talsedimenten traf man auf Gneis in dem der Schacht eine Abmessung von 1,7 x 6,7 m erhielt. Problematisch war das “leider nicht unbeträchtlich” eindringende Grundwasser, was aufgrund der Lage unmittelbar neben der Müglitz nicht erstaunen mag. Als man ein Jahr später eine Teufe von 46 m erreicht hatte, waren bereits 5 Pumpen nötig, welche Kosten von wöchentlich 20 Talern verursachten. Insgesamt kostete jeder weitere Meter Teufe somit 200 Taler! Zwar konnte man wieder 18-20 Fuhren Pocherz und sogar auch “mehrere Centner” hochwertiges Scheideerz erzielen, jedoch konnte dies nicht die entstehenden Kosten aufwiegen. Die verbliebenen Gewerken beantragten nun staatliche Hilfen, wofür sich auch das Bergamt aussprach.

Grund- und Seigerriss, angefertigt von Markscheider Ernst Städter (April 1861, Quelle: Bergarchiv Freiberg 40040-C114)
Grund- und Seigerriss, angefertigt von Markscheider Ernst Städter (April 1861, Quelle: Bergarchiv Freiberg 40040-C114)

Bis März 1861 war der Richtschacht schließlich bis auf 54,6 m niedergebracht worden. Bei etwa 40 m hatte man den Gabe Gottes-Morgengang durchschnitten, jedoch festgestellt, dass der Erzgehalt in den umgebenden Gesteinspartien noch höher lag. Deshalb kam es im Bereich der besten Erzführung in einer Teufe von ca. 48 m zur Anlegung von Querschlägen. Da unterhalb nahezu keine Erzführung mehr wahrgenommen wurde, hörte man dort mit der Wasserhaltung auf. An den verbliebenen 4 Pumpen waren jedoch immer noch 4 Mann in zwölfstündigen Schichten beschäftigt. Die Querschläge wurden bis Mitte des Jahres 1861 nach Westen auf fast 9 sowie nach Osten auf annährend 40 m vorgetrieben. Hier und im Schacht war dabei ein Ausbringen von 2 Schock Fuhren Pocherz und einigen Zentnern höherwertigen Scheideerzes gelungen. Weil man das Pocherz jedoch nicht in einem  eigenen Pochwerk verarbeiten konnte und eine vollständige Fuhre des Scheideerzes nicht erreicht wurde, konnte vorerst keinerlei Gewinn aus der Erzausbeute gezogen werden.

Da bereits im April die erhofften staatlichen Zuschüsse abgelehnt worden waren und zudem der Wiederaufbau der am 01. Februar 1859 abgebrannten Brettmühle über 1500 Taler verschlungen hatte, stieg die Verschuldung der Gewerkschaft auf 5000 Taler. Die zusätzlichen Probleme waren vielfältig:

  • das erhoffte Gangkreuz mit dem Fabian Sebastian-Gang war verfehlt worden
  • allein die Wasserhaltung erforderte jährlich 1000 Taler
  • ein Wassereinbruch im östlichen Querschlag hatte das Bergamt veranlasst einen exakten Riss über die alten Abbaubereiche einzufordern (siehe Abbildung oben 40040-C114)
Ungefährer Verlauf der bis 1861 entstandenen Grubenbaue im Bereich des Gabe Gottes-Erbstollns (eigene Darstellung, November 2023)
Ungefährer Verlauf der bis 1861 entstandenen Grubenbaue im Bereich des Gabe Gottes-Erbstollns (eigene Darstellung, November 2023)

Die bereits durch mangelhafte Einzahlung in Unfrieden gekommene Gewerkschaft trat daher im Juni 1861 zu einer Gewerkenversammlung zusammen. Dabei wurde jedoch keine Einigung über das weitere Vorgehen erzielt, so dass der Grubenvorstand geschlossen zurück trat. Am 21. Dezember 1861 kam es dann zur endgültigen Betriebseinstellung. Schließlich entbrannte noch ein Gerichtsstreit um die Kosten für die Verwahrung des Schachtes, welcher erst 1864 vollständig zugeschüttet wurde. Der tiefe Gabe Gottes-Stolln war vermutlich ebenfalls zugesetzt worden, denn bei einer bergamtlichen Begehung im Jahr 1883 zeigte sich, dass das Mundloch durch den Bau eines Fahrweges vollständig verschüttet worden war. Damals hatte der Bergwerksbesitzer Friedrich Wilhelm Copalle aus Dortmund eine neuerliche Mutung für das Grubenfeld Gabe Gottes eingereicht. Das Vorhaben blieb aber ein Spekulationsprojekt, so dass ohne irgendwelche konkreten Arbeiten an den Bergwerksanlagen das Bergbaurecht im Jahr 1885 erlosch.



Literatur und weiterführende Informationen

  • Bergarchiv Freiberg

              40170 Grubenakten des Bergreviers Freiberg, Nr. 95 (Gabe Gottes Fundgrube bei Lauenstein 1857-1860) [LINK]

              40170 Grubenakten des Bergreviers Freiberg, Nr. 96 (Gabe Gottes Fundgrube bei Lauenstein 1859-1865) [LINK]

              40170 Grubenakten des Bergreviers Freiberg, Nr. 104 (Gabe Gottes Erbstolln unterhalb Lauenstein 1755-1802) [LINK]

              40170 Grubenakten des Bergreviers Freiberg, Nr. 420 (Gabe Gottes Fundgrube bei Lauenstein  1883-884) [LINK]

              40400 Fiskalische Risse zum Erzbergbau, Nr. B112 (Grubenfeld von Gabe Gottes Fundgrube 1857) [LINK]

              40400 Fiskalische Risse zum Erzbergbau, Nr. C114 (Grubenfeld von Gabe Gottes Fundgrube 1861) [LINK]

              40400 Fiskalische Risse zum Erzbergbau, Nr. A113 (Grubenfeld von Gabe Gottes Fundgrube 1883) [LINK]