In der Umgebung der 25 Kilometer nordwestlich von Prag gelegenen Stadt Kladen (Kladno) (2018: ca. 68.000 Einwohner) befinden sich Steinkohlenvorkommen, deren Abbau angeblich bis in die vorchristliche Keltenzeit zurückreicht. Obwohl bereits im Zeitraum 1772-75 durch Schürfe Kohlenvorkommen aufgeschlossen worden waren, bildete erst die Entdeckung eines mächtigen Flözes durch Jan Váňa im Jahr 1846 die Initialzündung zur Entwicklung des Industriezentrums Kladen. Die auf dem Steinkohlenbergbau beruhende Industrialisierung führte zur Herausbildung zahlreicher Bergbau- und Hüttenunternehmen. Die folgende Entwicklungsepoche verlief so intensiv, dass die Region Kladen für einige Zeit zu den am stärksten industrialisierten Gebieten Mitteleuropas gehörte und landläufig den Namen "Böhmisches Manchester" erhielt.
Darstellung von Kladen und seiner Umgebung in der Josephinischen Landesaufnahme (ca. 1760-80). Kladen bzw. Kladno war zu dieser Zeit als Landstädtchen noch ringsum von weiten Feldern umgeben.
1848 gründete der aus Budweis (České Budějovice) stammende bekannte Unternehmer Karl Adalbert (Vojtěch) Ritter von Lana (1805-1866) zusammen mit Mitgliedern der bekannten altösterreichischen Unternehmerfamilie Klein die Steinkohlebergwerksgesellschaft "Klein, Lana und Novotny" (später "Kladnoer Kohlenwerke"), welche die Förderung in großem Umfang aufnahm. Abnehmer der Kohle waren die Eisenbahnunternehmen, die Fabriken der Zucker und Glasindustrie sowie die böhmischen Eisenwerke. Dabei entwickelte sich Kladen nach Erschließung der Steinkohlenvorkommen selbst zum wichtigsten Eisenhüttenstandort.
Die zwischen den 1830er und 1850er Jahren entstandene Kartierung im Rahmen der Franziszeische Landesaufnahme zeigt östlich der Stadt Kladen bereits ein umfangreiches Industriegebiet mit Bahnanschluss, dem Wenzelschacht der Steinkohlengewerkschaft, einem Ziegelofen und weiteren Fabriken.
Die Adalberthütte (Vojtěšská hut) entstand 1854/56 mit zunächst zwei Hochöfen und wurde nach ihrem Gründer Karl Adalbert (=Vojtěch) Ritter von Lanna benannt. Verhüttet wurden Erze aus den Eisenerzlagerstätten des Barrandiums bei Prag, wobei gleichzeitig Kalksteine aus dem Böhmischen Karst als Zuschlagstoff genutzt wurden. Beide Rohstoffe wurden auf einer eigenen Bahnlinie, der 1857 eröffneten sogenannten "Kladno-Nučicer Bahn" bis zur Hütte geliefert. Der benötigte Koks war vor Ort verfügbar, da einige Teile der Kohleflöze durch vulkanische Aktivitäten auf natürliche Weise verkokt waren. Allerdings waren diese Vorkommen nach wenigen Jahren erschöpft, so dass in der Folge Koks aus Westfalen und Oberschlesien importiert werden musste.
Dieses Bild zeigt erste Generation der Hochöfen im Jahr 1854. (Quelle: Archiv SVM, Infotafel vor Ort)
Dieses Bild zeigt sechs Jahre später bereits die zweite Generation der Hochöfen.
(Quelle: Archiv SVM, Infotafel vor Ort)
Im Jahre 1857 kam es durch den Beitritt des Unternehmers Robert Florent (1795-1870) und des Bankiers Hermann Dietrich Lindheim (1790-1860) zur Vereinigung der Adalbertthütte mit den „Kladnoer Kohlewerken“. Das als „Prager Eisenindustrie Gesellschaft“ firmierende Unternehmen war derart kapitalstark, dass umfangreiche Modernisierungen und Erweiterungen der Adalberthütte vorgenommen werden konnten. Schon bis 1860 wurden vier neue Koks-Hochöfen errichtet sowie Maschinen und Kessel von Boulton & Watt aus England geliefert. 1868 folgte ein neues Puddel- und Walzwerk, dass v.a. Eisenbahnschienen und Eisenbahnbrücken lieferte. Auch die Rohre der I. Wiener Hochquellenwasserleitung wurden Anfang der 1870er Jahre in Kladen gegossen. Bereits 1875 war die Adalberthütte ein Eisenwerk mit geschlossenem Produktionskreis, indem sie neben den Hochöfen auch über Gießerei, Stahl- und Walzwerke verfügte. Die ursprünglichen Hochöfen belgischen Typs wurden 1880 von sogenannten „Lürmann-Öfen“ nach schottischer Art abgelöst. Es handelte sich dabei um Hochöfen mit wassergekühltem Stahlmantel. Gleichzeitig hielt das Thomasverfahren Einzug, mit dem die phosporreichen böhmischen Eisenerze konkurrenzfähig verhüttet werden konnten. Kladen war damit der Standort, an dem diese Technik auf dem europäischen Festland als erstes angewendet wurde. Einer der Konverter ("Thomas-Birne") kann heute noch in Kladen besichtigt werden.
Die 1877-80 erfolgte Kartierung im Rahmen der Franzisco-Josephinischen Landesaufnahme zeigt die massiven Erweiterungen des Industriegebiets mit Eisenhütten, Kohleschächten und zahlreichen Bahnanschlüssen. Gleichzeitig ist ein starkes Wachstum der Stadt mit Wohngebieten für die Arbeiterschaft erkennbar.
Die Zahl der Häuser erhöhte sich zwischen 1849 und 1869 von 265 auf 782, die Zahl der Einwohner von 2.145 auf 10.199. Bis 1910 stieg die Zahl der Häuser auf 1.650 und die Einwohnerzahl auf 19.369.
Im Jahre 1889 kam es auf Initiative des damaligen Direktors der "Prager Eisenindustrie Gesellschaft" Karl Wittgenstein (1847-1913) zur Gründung einer weiteren Hütte, die er nach seiner Frau Leopoldine "Poldihütte" nannte. Von nun an war Kladen das unumschränkte Zentrum des böhmisch-mährischen Eisenhüttenwesens und der Stahlindustrie. Die hier erzeugten legierten Stahlarten genossen weltweit einen guten Ruf, wobei auch von Bedeutung war, dass durch das 1894 eingeführte Bertrand-Thiel Verfahren der Betrieb der Thomaskonverter überflüssig wurde. Im Zeitraum 1892-1900 wurden vier weitere Hochöfen (bereits leichte Eisenkonstruktionen) errichtet, in denen jährlich 150.000 Tonnen Erz verhüttet werden konnten. Die Öfen besaßen 8 Cowper- und 6 Whitewell-Winderhitzer sowie von Škoda in Pilsen (Plzeň) gelieferte Gas-Generatoren. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts blieb Kladno zudem das wichtigste Kohlefördergebiet auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik. Die jährliche Fördermenge überstieg dabei auch jene des späteren Hauptzentrums um Mährisch Ostrau (Ostrava).
Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Unternehmen der Adalberthütte verstaatlicht, mit der nahegelegenen Poldihütte vereinigt und in „Huť Koněv“ umbenannt. Kladen wurde, ähnlich wie Eisenhüttenstadt in der ehemaligen DDR, zu einer sozialistischen Musterstadt mit ausgedehnten Neubauvierteln ausgebaut. Die Einwohnerzahl stieg weiter stetig an und lag 1970 bei 57.441 Personen. Allein das Stahlwerk beschäftigte über 20.000 Menschen. Mit dem 1959 begonnenen Bau des Eisenhüttenwerkes in Kaschau (Košice) verlagerte sich jedoch das Zentrum der tschechischen Eisenverhüttung in die Ostslowakei. Die Betriebsanlagen in Kladno wurden zunehmend auf Verschleiß gefahren. Die 1975 erfolgte Stilllegung der Hochöfen und die Einstellung der Roheisenherstellung war die logische Konsequenz dieser Entwicklung.
Der Steinkohlenbergbau wurde seit den 1980er Jahren ebenfalls schrittweise zurückgefahren und endete 2002 mit Schließung der Grube "Schoeller", nachdem sich hier 2001 eine Explosion mit vier Todesopfern ereignet hatte.
Ausführliche Informationen zu den Kohleschächten im Kladnoer Revier werden in einer eigenen Seite dargestellt (Link folgt noch).
Die Poldihütte besteht bis heute und hat sich auf die Herstellung hochlegierter Stähle spezialisiert. Daneben befinden sich weitere kleine Betriebe auf dem ehemaligen Hüttengelände, ein erheblicher Teil des Areals ist jedoch ungenutzt und stark verwildert. Dennoch blieben mehrere industriegeschichtlich bedeutsame Bauten erhalten.
Die Dominante der ehemaligen Adalberthütte bildet eine Kalkofenbatterie mit drei erhaltenen Schachtöfen, die mit einer Gesamthöhe von 30 Metern zu den höchsten Kalköfen der Tschechischen Republik gehörten. Die einstmals fünfteilige Anlage entstand in den Jahren 1927-40 am ehemaligen Bahnhof (Öfen I u. II: 1927; Öfen III u. IV.: 1929; Ofen V: 1940). Die Idee zum Bau der Anlage stammte von Jindřich Šárek (1891-1962), welcher vorschlug, dass die grob gereinigten Gichtgase der Kladnoer Hochöfen zum Kalkbrennen genutzt werden könnten, wodurch gleichzeitig der Einsatz von Koks reduziert werden könnte. Umgesetzt wurde das Vorhaben durch die „Oberschlesische Industrie-Bau A.G.“ aus Gleiwitz (Gliwice), wobei der Auftrag u.a. durch das noch heute aktive österreichische Bauunternehmen „Pittel und Brausewetter“ ausgeführt wurde. Die Öfen entstanden als monolithische Stahlbetonkonstruktion mit mehrschichtigen Schächten, die außen mit Ziegelklinkern und im Inneren mit Schamotte gebaut waren. Der Ofendurchmesser im Inneren betrug 4 Meter. Zur Regulation der Gichtgaszufuhr dienten mehrere gusseiserne Öffnungen, die über sieben Plattformen erreicht werden konnten. Ein Aufzug ergänzte diese äußeren Umbauungen, die in Stahlbauweise errichtet waren. Wenn auch der fünfte Ofen nur wenige Jahre später entstand, so zeigt sich an ihm doch deutlich die Weiterentwicklung der Technik. Statt massiven Stahlbetons wurde hier eine leichtere Konstruktion mit Vollmetallmantel verwendet. Die fünf Schachtöfen blieben bis 1976 in Betrieb. Danach kam es zum vollständigen Abriss der ersten beiden Öfen sowie aller äußeren Bauteile, welche der Verschrottung und Metalldieben zum Opfer fielen. Seit dem Jahr 2008 steht die Schachtofenbatterie nun jedoch unter staatlichem Denkmalschutz.
Dieses Bild aus der Zeit um das Jahr 1990 zeigt die Öfen vor der Demontage der Anbauten. (Quelle: Infotafel vor Ort)
Östlich des ehemaligen Bahnhofs zweigte die bogenförmige Eisenbetonbrücke von der Bahnstrecke ab. Auf dieser konnten die Eisenbahnwagons zur Beschickungsrampe an die Hochöfen befördert werden. Weitere interessante Objekte sind u.a. der Gichtgasspeicher und das Gebäude in welchem die Mischungen zur Beschickung der Hochöfen vorbereitet wurden.
Literatur und weiterführende Informationen